Regulierung von ESG Ratings – Juni 2023

Regulierung von ESG Ratings – Juni 2023

»ESG Ratings am Scheideweg«, so titelt die aktuelle Ausgabe des »Rate the Raters« Reports [1], herausgegeben vom SustainAbility Institute [2]. Die Situation bei ESG Ratings ist paradox: „Dank der zunehmenden Bedeutung der ESG-Performance werden Ratings häufiger denn je verwendet. Gleichzeitig zeigen Investoren und Unternehmen nur mäßiges Vertrauen in die Genauigkeit und den Nutzen von ESG-Ratings. Diese Trends können nicht ohne weiteres nebeneinander existieren, was darauf hindeutet, dass erhebliche Änderungen erforderlich sind, um die künftige Glaubwürdigkeit des Rating-Ökosystems zu erhalten.“ 

In einem unserer am häufigsten gelesenen Artikel „ESG-Rating – Eine Einführung“ [3] sind wir auf die Divergenz der ESG Ratings verschiedener Anbieter eingegangen. Wir haben dabei herausgearbeitet, dass die mangelnde Transparenz der eingesetzten Rating-Methoden eine große Herausforderung für die Nutzer von ESG Ratings darstellen.

Die Europäischen Union und ESG Ratings

Die EU hat die Herausforderungen bei ESG Ratings erkannt und deshalb einen Vorschlag zur Regulierung von ESG Ratingaktivitäten veröffentlicht [4]. 

Mit der vorgeschlagenen Verordnung sollen zwei Problemstellungen von ESG Ratings adressiert werden:

  • Mehr Transparenz im Zusammenhang mit den Methoden und Datenquellen, die für ESG Ratings genutzt werden. 
  • Mehr Klarheit: Es herrscht Unklarheit darüber, wie ESG-Rating-Anbieter arbeiten. Deshalb werden die Nutzer von ESG Ratings, Investoren und die bewerteten Unternehmen nicht ausreichend über ESG-bezogene Risiken, Auswirkungen und Chancen informiert. 

Das Ziel der vorgeschlagenen Richtlinie ist es, die Zuverlässigkeit, Vergleichbarkeit und Transparenz von ESG-Ratings zu verbessern. Es ist jedoch nicht beabsichtigt,

„die Methoden für die Berechnung von ESG-Ratings zu harmonisieren, sondern ihre Transparenz zu erhöhen. Die Anbieter von ESG-Ratings werden weiterhin die volle Kontrolle über die von ihnen verwendeten Methoden behalten und in ihrer Wahl unabhängig bleiben, um sicherzustellen, dass auf dem Markt für ESG-Ratings eine Vielzahl von Ansätzen verfügbar ist.“* „intend to harmonise the methodologies for the calculation of ESG ratings but to increase their transparency. ESG rating providers will remain in full control of the methodologies they use and will continue to be independent in their choice to ensure that a variety of approaches are available in the ESG ratings market.“

*ergänzend zu unserer Übersetzung haben wir in der obigen Tabelle auch den Originaltext eingefügt.

Die Kernpunkte des Vorschlags der Europäischen Kommission zur Regulierung von ESG Ratings

In der folgenden Übersicht haben wir die Kernaspekte des Vorschlags der Europäischen Kommission zur Regulierung von ESG Ratings zusammengefasst: 

  • ESG-Ratingagenturen benötigen eine Zulassung durch die European Securities and Markets Authority (ESMA).
  • Die ESMA wird auf ihrer Webseite ein Verzeichnis aller zugelassenen ESG Ratinganbieter bereitstellen – dies umfasst auch die Anforderungen an die Zugänglichkeit von Informationen über den European Single Access Point (ESAP). 
  • Um Investoren zu schützen und einen fairen Markt sicherzustellen, müssen Regeln für die Anbieter von ESG Ratings, die nicht in der EU ansässig sind, ihre Dienstleistungen aber in der EU anbieten wollen, entwickelt werden. Diese Regeln (Äquivalenz, Anerkennung und Zulassung) basieren auf der Idee, dass die Vorschriften im Herkunftsland des Anbieters genauso gut sein sollten wie die in der Union. Dies wird sich auf einige der wichtigsten Anbieter von ESG Ratings wie MSCI, S&P, Moody’s, Fitch und andere auswirken.

Weitere Bestimmungen beziehen sich auf die Qualität und Zuverlässigkeit von ESG Ratings, Transparenzanforderungen und die Vermeidung von Interessenkonflikten:

  • Qualität und Zuverlässigkeit von ESG Ratings: Um die Qualität und Zuverlässigkeit von ESG Ratings sicherzustellen, müssen die Anbieter solcher Ratings belastbare, objektive und kontinuierlich validierte Bewertungsmethoden anwenden, die regelmäßig, mindestens jedoch jährlich, überprüft werden. 
  • Transparenz: Um die geforderte Transparenz sicherzustellen, müssen die Anbieter von ESG Ratings Informationen zu den von ihnen verwendeten Methoden, Modellen und Kernannahmen veröffentlichen. Darüber hinaus ist anzugeben, ob bei der Bewertung sowohl das finanzielle Risiko als auch die Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft berücksichtigt wurden, oder nur eine dieser Dimensionen. 
  • Unabhängigkeit: Um unabhängige ESG Ratings sicherzustellen, müssen die Anbieter solcher Ratings Interessenkonflikte (vgl. unten) vermeiden und diese, wenn sie nicht vermeidbar sind, angemessen bewältigen. In jedem Fall sollten die Anbieter von ESG Ratings Interessenskonflikte rechtzeitig offenlegen. 
  • Interessenkonflikte: Um Interessenkonflikte von vornherein zu vermeiden, sollten Anbieter von ESG Ratings nicht befugt sein, eine Reihe weiterer Dienstleistungen anzubieten. Dazu zählen unter anderem: 
    • Beratungsleistungen
    • Bonitätsbewertungen
    • Benchmarking
    • Investmentaktivitäten
    • Audits, Bank-, Versicherungs- und Rückversicherungsaktivitäten

Unterstützung für kleinere ESG Ratings Anbieter: Maßnahmen für die Unterstützung kleinerer Anbieter von ESG Ratings sind erforderlich, um deren Nachhaltigkeit und Markteintritt zu gewährleisten. Dies kann beispielsweise durch Ausnahmen von bestimmten organisatorischen Anforderungen geschehen, die von der ESMA auf der Grundlage spezifischer Kriterien gewährt werden.

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Wie soll sich die zukünftige Situation bei ESG Ratings darstellen?

Daten, die relevant für die Erstellung von ESG Ratings sind, werden unter anderem durch Unternehmen im Rahmen ihrer Berichtspflicht nach der CSRD und der EU-Taxonomie generiert und veröffentlicht. Diese Daten werden, zusammen mit ESG Ratings, von Investoren dazu verwendet, um deren Berichtspflichten nach der SFDR zu erfüllen. 

Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Verordnung berücksichtigt den Nutzen aus dem Zusammenspiel von CSRD, EU-Taxonomie und SFDR. Schnittstellen wird es auch zu „European Green Bond Regulation“ und der „EU Climate Benchmark Regulation“ geben.

In der folgenden Abbildung [5] ist der Vergleich „vorher“ und „nachher“ zusammengefasst.

Vorher vs Nachher Regulation ESG Ratings durch die EU

Die wichtigsten Erkenntnisse 

Die geplante Verordnung geht in die richtige Richtung, ist aber nicht bahnbrechend. Die bereits bestehenden Anbieter von ESG Ratings werden sich relativ schnell an die mit der Verordnung verbundenen Anforderungen anpassen können. Das wird definitiv mit zusätzlichen Kosten und Kontrollen verbunden sein, jedoch voraussichtlich nicht mit existenziellen Herausforderungen.

Konkret bedeuten die vorgeschlagenen Änderungen, dass

  • die Anbieter von ESG Ratings ihre aktuellen Bewertungsmethoden nicht ändern, aber die erforderliche Transparenz herstellen müssen. Sofern die Methoden robust, objektiv und wissenschaftlich nachvollziehbar sind, sollte dies kein Grund zur Sorge sein.
  • ESG Rating Anbieter aus Drittländern (also meist aus den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich) wie MSCI, S&P oder FTSE Russel werden dazu verpflichtet sein, ihren Bewertungsprozess mit den EU-Vorgaben in Übereinstimmung zu bringen. Auch dann, wenn sie andere Regionen mit einer anderen Rechtsprechung bedienen, wird es sehr unwahrscheinlich sein, dass sie verschiedene methodische Ansätze parallel führen. Dies ist ein weiteres Beispiel für den „Brüssel Effekt“ [6].
  • Solche Anbieter, die auch Kredit- oder Bonitätsbewertungen anbieten, wie beispielsweise S&P, Fitch oder Moody’s, werden die Auswirkungen der jetzt vorgeschlagenen Verordnung deutlicher spüren, da sie dann keine ESG Ratings in der Europäischen Union anbieten dürfen. Denkbar ist, dass solche Unternehmen ihre ESG Ratings ausgliedern, um Interessenskonflikte zu vermeiden.
  • In jedem Fall dürften auf die Ratinganbieter erheblichen Kosten zukommen, da sie entsprechende Gebühren an die ESMA entrichten müssen, um die notwendigen Genehmigungen zu erhalten.

Zusammenfassung

Der regulatorische Ansatz der Europäischen Union ist zwar nicht der erste, Indien [7] hat bereits im Mai 2023 regulatorische Maßnahmen im Zusammenhang mit ESG Ratings umgesetzt, aber die jetzt vorgestellte Richtlinie hat das Potenzial, als Blaupause für andere Staaten dienen zu können. In jedem Fall wird mit der vorgeschlagenen Verordnung ein wichtiger Beitrag zur dringend benötigten Transparenz von ESG Ratings geleistet und das trägt wiederum dazu bei, dass das Vertrauen in solche Ratings steigt.

Quellen und weitere Fundstellen

[1] Rate the Raters 2023 – ESG Ratings at a Crossroads

[2] The SustaiAbility Institute by ERM

[3] NordESG – ESG Ratings – eine Einführung

[4] Europäische Kommission – Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on the transparency and integrity of Environmental, Social and Governance (ESG) rating activities 

[5] Europäische Kommission – Sustainable Finance Fact Sheet June 2023

[6] NordESG – Die »CSRD«, der »Brüssel-Effekt« und Nicht-EU-Unternehmen

[7] Securities and Exchange Board of India – SEBI Board Meeting 29.03.2023

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