»European Sustainability Reporting Standard« – Der ESRS zwischen Idealismus und Pragmatismus

»European Sustainability Reporting Standard« – Der ESRS zwischen Idealismus und Pragmatismus 

Das Erstellen von Geschäftsberichten – gleich ob es sich dabei um finanzielle oder nicht-finanzielle Berichte handelt – ist kostenintensiv. Die im Juni 2023 von der Europäischen Kommission als Entwurf eines delegierten Rechtsakts veröffentlichte Fassung des »European Sustainability Reporting Standard« oder kurz »ESRS« zeichnet sich im Vergleich zu dem Entwurf der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) vom November 2022 durch einen reduzierten Umfang der Offenlegungsanforderungen aus. Hinzu kommt, dass der jetzige Entwurf mehr zeitliche Flexibilität für die erstmalige Offenlegung verschiedener Nachhaltigkeitsinformationen vorsieht und einige der Offenlegungsanforderungen, die in dem Entwurf der EFRAG als verpflichtend empfohlen wurden, nun freiwillige Angaben sind. 

Erwartet wird, dass sich damit die Kosten für die Nachhaltigkeitsberichterstattung verringern. Genannt werden Einsparungen in der Einführungsphase von 1,2 Mrd. Euro gegenüber den Kosten, die mit der Umsetzung des Entwurfs der EFRAG verbunden gewesen wären. Auch nach der Implementierungsphase sollen weitere 230 Mio. Euro pro Jahr eingespart werden können. 

Die Entwicklung eines europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist ein ambitioniertes Ziel, das letztlich über die Grenzen der Europäischen Union hinaus wirkt und indirekt Standards setzt. Wo ist der jetzt von der Europäischen Kommission vorgelegte Entwurf einzuordnen? Ist es ein rein pragmatischer Ansatz und wie wirkt sich das auf die ursprünglichen Ambitionen für die European Sustainability Reporting Standards aus? 

Noch bis zum 7. Juli 2023 kann im Rahmen einer öffentlichen Konsultation Feedback zu dem von der Europäischen Union vorgelegten Entwurf gegeben werden. Von diesem Angebot wird bereits Gebrauch gemacht, auf ein Beispiel gehen wir später ein, noch ist es aber zu früh, um zu einer abschließenden Einschätzung zu gelangen.

HINWEIS

DIESER POST IST EIN UPDATE ZU UNSEREM ZUVOR ERSCHIENENEN BEITRAG »JUNI 2023: ÜBERARBEITETE FASSUNG DES »EUROPEAN SUSTAINABILITY REPORTING STANDARD« (ESRS)«, DEN WIR HIER VERLINKT HABEN.

Ist die nicht-finanzielle Berichterstattung überreguliert?

Die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) wurde mit der Erarbeitung der European Sustainability Reporting Standards beauftragt und reichte im November 2022 den Entwurf für den ESRS ein. Vorausgegangen war eine umfangreiche Stakeholderbeteiligung. In einer Kosten-Nutzen-Analyse, die zeitgleich veröffentlicht wurde, wurden erhebliche direkte und indirekte Kosten für die Berichterstattung nach dem ESRS genannt.

Die Herausforderung ist, den Umfang der Offenlegungsanforderungen gut auszubalancieren, damit die mit der Berichterstattung verbundenen Vorteile die Kosten rechtfertigen und gerade auch solche Unternehmen mit begrenzten finanziellen Ressourcen von den Vorteilen profitieren können, ohne dabei bis an ihre (finanziellen) Grenzen belastet zu werden. Ein guter Kompromiss muss gefunden werden, bei dem sowohl die Kosten für die Einhaltung der Offenlegungsanforderungen als auch die sich aus der Berichterstattung ergebenden Vorteile für Unternehmen und ihre Stakeholder im Blick behalten werden. 

Bei dem am 9. Juni 2023 durch die Europäische Kommission veröffentlichten Entwurf des delegierten Rechtsakts wurden die Berichtsanforderungen im Vergleich zum Entwurf der EFRAG vom November 2022 reduziert.  

Wesentliche Änderungen am ESRS gegenüber dem Entwurf der EFRAG

Bevor wir in die Details der Änderungen am ESRS gegenüber dem Entwurf der EFRAG vom November 2022 eingehen, hier ein kurzer Überblick über die Genesis des ESRS.

European-Sustainability-Reporting-Standards-ESRS-Timeline

Teil 1 – Entwurf der European Sustainability Reporting Standards der EFRAG

Der im November 2022 von der EFRAG vorgelegte Entwurf für den ESRS war das Ergebnis einer umfangreichen Stakeholderbeteiligung, die zu einigen Änderungen gegenüber der ursprünglichen Fassung führte:

  • Die Anzahl der Offenlegungsanforderungen wurde deutlich reduziert (von 136 auf 84).
  • Damit einhergehend reduzierte sich die Anzahl der Datenpunkte (von 2.161 auf „nur“ 1.144). 
  • Einer der ursprünglich vorgesehenen Standards (ED ESRS G1) entfiel vollständig.
  • Für solche Offenlegungsanforderungen, die voraussichtlich besonders herausfordernd für die berichtenden Unternehmen sind, wurden Einführungszeiträume definiert, damit diese genügend Zeit für die erforderlichen Anpassungen und die Datenbereitstellung erhalten. 
  • Ebenfalls entfallen ist die Anforderung der »Rebuttable Assumption« im Kontext von Wesentlichkeitsanalysen. 
  • Die Interoperabilität mit anderen Berichtsstandards (GRI und ISSB) wurde thematisiert. 

Wir haben in früheren Beiträgen (hier und hier) ausführlich über diese Entwicklung berichtet.

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Teil 2 – Entwurf des delegierten Rechtsakts der Europäischen Kommission

Der am 9. Juni 2023 zur Konsultation durch die Europäische Kommission veröffentlichte Entwurf eines delegierten Rechtsakts beinhaltet im Vergleich zum Entwurf der EFRAG weitere Lockerungen und Einführungszeiträume für die Offenlegung einzelner Nachhaltigkeitsinformationen. 

  • Einführungszeiträume: Zusätzlich zu den von der EFRAG vorgeschlagenen Einführungszeiträumen sieht der jetzt vorgelegte Entwurf der Europäischen Kommission weitere vor: 
    • Für Unternehmen mit weniger als 750 Mitarbeitenden bedeutet dies beispielsweise, dass sie im ersten Jahr, in dem sie die Standards anwenden, keine Angaben zu Scope 3 Treibhausgasemissionen und zu den Offenlegungsanforderungen im Standard „own workforce“ machen müssen. Bei einigen Offenlegungsanforderungen zu Biodiversität und Mitarbeitenden entlang ihrer Wertschöpfungsketten, betroffenen Gemeinschaften, Verbrauchern und Endkunden sind es zwei Jahre. 
    • Alle Unternehmen, die unter die Anforderungen der CSRD fallen, können im ersten Jahr auf die Offenlegung von Informationen zu erwarteten finanziellen Auswirkungen im Zusammenhang mit nicht-klimabezogenen Umweltfragen und verschiedene Offenlegungen im Kontext ihrer Belegschaft verzichten. 
  • Freiwillige statt verpflichtende Angaben: Einige der von der EFRAG als verpflichtend vorgeschlagene Offenlegungsanforderungen würden nach dem nun vorliegenden Entwurf für den delegierten Rechtsakt zu freiwilligen Angaben. Beispiele sind Übergangspläne im Kontext von Biodiversität, verschiedene Indikatoren zu Nicht-Angestellten und Angaben dazu, warum ein Unternehmen einzelne Nachhaltigkeitsaspekte als nicht wesentlich einstuft. 
  • Größere Freiheitsgrade: Der Entwurf der Europäischen Kommission sieht größere Freiheitsgrade für verschiedene Offenlegungsanforderungen vor. Dazu zählen unter anderem die finanziellen Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken, die Einbindung von Stakeholdern in die Wesentlichkeitsanalysen, die Datenpunkte zu Korruption und Bestechung und der Schutz von Hinweisgebern. 

Zu viele Lockerungen und Vereinfachungen?

Für die betroffenen Unternehmen sind die vorgeschlagenen Lockerungen und Vereinfachungen sicherlich eine große Erleichterung. Damit bleibt mehr Zeit, die erforderlichen Prozesse zu implementieren und in die Berichterstattung unter der CSRD zu starten. 

Andere Stakeholder sind von dem durch die Europäischen Kommission vorgelegten Entwurf weniger angetan. So hat das European Social Investment Forum (Eurosif) in einer Pressemitteilung seine Enttäuschung darüber geäußert, dass mit den Vereinfachungen der Anspruch an eine umfassende und qualitativ hochwertige Nachhaltigkeitsberichterstattung gefährdet sei. 

“Eurosif is very concerned with the European Commission’s latest changes to the draft standards, which mark a significant setback in ambition compared to the final recommendations published by EFRAG in November 2022.”

Kritisch sieht Eurosif auch, dass Offenlegungen zu Klimaindikatoren wie Treibhausgasemissionen nicht verpflichtend seien, sondern abhängig von den Ergebnissen der Wesentlichkeitsanalyse eines Unternehmens gemacht werden, was im Widerspruch zum Europäischen Green Deal und der EU-Klimaschutzgesetzgebung stehe. 

Darüber hinaus weist Eurosif darauf hin, dass die Lockerung der Offenlegungspflichten auch Auswirkungen auf Finanzmarktteilnehmer haben wird, die ihrerseits dazu verpflichtet sind, Vorschriften wie die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), Benchmark Regulation und Pillar 3 Offenlegungsanforderungen zu erfüllen. Die Pressemitteilung von Eurosif haben wir hier verlinkt.  

Zusammenfassung

Unsere Einschätzung ist, dass sich an dem von der Europäischen Kommission vorgelegten Entwurf für einen delegierten Rechtsakt nach Abschluss der Konsultationen weitere Änderungen ergeben werden. Die Herausforderung, die konkurrierenden Anforderungen einer so weitreichenden und komplexen Richtlinie in Einklang zu bringen, war von Anfang an keine einfache Aufgabe. Wir werden die weiteren Entwicklungen aufmerksam verfolgen und in unserem Blog darüber berichten.

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