ESRS, GRI, TCFD & IFRS – Interoperabilität von Reporting-Frameworks und Offenlegungsanforderungen
In einem früheren Blogpost hatten wir die »Buchstabensuppe« der ESG Reporting-Frameworks diskutiert und darauf hingewiesen, wie wichtig unserer Meinung nach dabei die Interoperabilität von Reporting-Frameworks vor dem Hintergrund einer globalisierten Welt ist. Seitdem ist einiges geschehen: Die Einführung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist einen großen Schritt näher gekommen und auch beim European Sustainability Reporting Standard (ESRS) hat es deutliche Weiterentwicklungen gegeben. Nicht nur aus Europa, auch aus den Vereinigten Staaten gibt es von IFRS/ISSB Neuigkeiten zu berichten. In diesem Blogpost gehen wir der Frage nach, wie es um die Interoperabilität des ESRS mit den Reporting-Standards von GRI, TCFD und IFRS/ISSB bestellt ist.
Update: Im Juni 2023 wurde eine überarbeitete Fassung des European Sustainability Reporting Standard veröffentlicht. Alle Informationen dazu haben wir in diesem Blogpost für Sie zusammengestellt.
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Interoperabilität – Wie kompatibel sind die Reporting Frameworks?
Bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung bzw. dem ESG-Reporting geht es um Fragen zu »E«, »S« und »G«, oder »Environment«, »Social« und »Governance«. Die Crux ist, dass Reporting-Frameworks unterschiedliche Fragestellungen bzw. Offenlegungsanforderungen zu den drei Themenbereichen im ESG-Kontext definieren, einzelne Themenbereiche besonders hervorheben oder andere gar nicht behandeln. Die gute Nachricht ist, dass es viele Offenlegungsanforderungen gibt, die von so grundsätzlicher Natur sind, dass deren Antworten in nahezu allen Report-Frameworks verwendet werden können. Leider gibt es aber auch Fälle, in denen sich die Fragestellungen deutlich unterscheiden oder bei denen Offenlegungsanforderungen definiert werden, die keine Entsprechung in anderen Berichtsstandards finden.
Das in der obigen Abbildung vorgestellte Beispiel soll dies verdeutlichen. Das Framework »A« bildet alle ESG-Themenbereiche ab, während das Framework »B« sich neben Querschnittsthemen auf das »E« in ESG konzentriert. Unternehmen, die nach dem Framework »A« berichten, fällt es voraussichtlich leicht, auf die Offenlegungsanforderungen aus Framework »B« zu reagieren. Umgekehrt gilt dies nicht, da Informationen zu »Social« und »Governance« im Framework »B« nicht enthalten sind und damit die Offenlegungsanforderungen aus Framework »A« nicht mit den in Framework »B« verfügbaren Daten beantwortet werden können.
Weitere Unterschiede können sich aus den Herangehensweisen und Konzepten, die in den Reporting-Frameworks definiert werden, ergeben. Ein Beispiel dafür ist die »Wesentlichkeit«, die abhängig von den Frameworks als »Finanzielle Wesentlichkeit«, »Doppelte Wesentlichkeit« oder »Impact Materiality« definiert wird. Diese Unterschiede bei grundsätzlichen Konzepten können Auswirkungen auf den gesamten Berichtsprozess in unterschiedlichen Berichtsframeworks haben.
ESRS, TCFD, IFRS und GRI – Wie ist es um die Interoperabilität bestellt?
Im November 2022 wurde der Entwurf des European Sustainability Reporting Standard (ESRS) veröffentlicht. Der ESRS ist aktuell noch ein Entwurf und gleiches gilt für die Standards der IFRS/ISSB. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass sich später Änderungen ergeben können. Unsere Absicht ist es, zu einer ersten Einschätzung der Interoperabilität der Standards zu gelangen. Sobald die Endfassungen der Standards vorliegen, werden wir eine detaillierte Betrachtung veröffentlichen. Wie ist es also aktuell um die Interoperabilität der Reporting-Frameworks bestellt? Dieser Frage gehen wir in den folgenden Abschnitten nach.
ESRS und TCFD
Beim Reporting-Framework der Task Force on Climate Related Financial Disclosures (TCFD) handelt es sich um einen etablierten Berichtsstandard. Das TCFD-Framework konzentriert sich auf das »E« in ESG, während der ESRS die gesamte Bandbreite an Nachhaltigkeitsthemen abdeckt. Die EFRAG, die mit der Erarbeitung des ESRS beauftragt ist, hat eine Zusammenschau der Offenlegungsanforderungen von ESRS und TCFD veröffentlicht, die wir an dieser Stelle als Grundlage nutzen [1], wobei wir uns auf die zentralen Ergebnisse konzentrieren.
Wir haben folgende Aspekte herausgegriffen:
- Governance: Die Offenlegungsanforderungen des TCFD können im ESRS 2 (GOV 1-3) und ESRS E1 abgebildet werden. Hingewiesen wird unter anderem auf folgende Unterschiede bzw. zusätzliche Anforderungen: Auswirkungen werden zusätzlich zu Risiken und Chancen betrachtet, Vergütungen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsperformance, die Zusammenstellung von Wesentlichkeitsfaktoren und das Statement zur Nachhaltigkeits-Due-Diligence.
- Strategy: Fragen zur Strategie im TCFD können u.a. im ESRS 1 und 2 und ESRS E1-4 abgebildet werden. Auch in diesem Kontext wird auf Unterschiede und zusätzliche Anforderungen hingewiesen, beispielsweise auf Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft zusätzlich zu Risiken und Chancen, das 1,5°C-Ziel, oder die Differenzierung in physische Risiken und Übergangsrisiken.
- Riskmanagement: Die Offenlegungsanforderungen des TCFD zum Risikomanagement lassen sich ebenfalls durch den ESRS abbilden. Fundstellen gibt es dabei im ESRS E2 und ESRS E1. Hingewiesen wird unter anderem darauf, dass die Due-Diligence Prozesse im ESRS umfangreicher sind als beim TCFD Framework.
- Metrics & Targets: Auch für den Bereich Metrics & Targets gilt, dass dieser sich im ESRS 2 und ESRS E1 wiederfindet. Ergänzungen gibt es beispielsweise bei Fragen zum Energieverbrauch und Energiemix, Scope 1, 2 und 3 Emissionen, Zielen für die Verminderung von CO₂-Emissionen, wie diese an Vergütungen geknüpft sind oder bei Carbon Offsets.
Wie oben ausgeführt, konzentriert sich der TCFD Standard auf das »E« in ESG, während der ESRS das gesamte Spektrum abdeckt. In Appendix IV [1] wird in diesem Zusammenhang ausgeführt:
“When comparing TCFD with ESRS it must be noted that TCFD is on climate only and ESRS are covering also numerous other sustainability matters besides climate. ESRS has Disclosures Requirements applicable across sustainability matters for the reporting areas Governance, Strategy, Impact, risk and opportunity management and Metrics and targets in ESRS 2 General disclosures. […] A comparison of TCFD with ESRS involves therefore Disclosure Requirements from ESRS 2 General disclosures and ESRS E1 Climate change.”
Zumindest bei Umweltthemen gibt es eine gute Übereinstimmung der Offenlegungsanforderungen. Wird der ESRS als Grundlage genutzt, dann können viele Offenlegungsanforderungen des TCFD beantwortet werden.
ESRS und IFRS/ISSB
Auch zur Interoperabilität von ESRS und IFRS/ISSB hat die EFRAG im November 2022 ein umfangreiches Dokument [2] veröffentlicht, das wir für die weiteren Ausführungen nutzen.
Wichtig sind die Hinweise, dass es sich bei den IFRS/ISSB S1 und S2 um Entwürfe handelt, inhaltliche Änderungen sich deshalb auf die Interoperabilität auswirken können und sich der Abgleich auf den IFRS S1 / S2 und den ESRS 1 / 2 beschränkt.
Dies spiegelt sich im Disclaimer der EFRAG wider: »This document has been prepared by EFRAG Secretariat and has not been agreed with the ISSB. This is an updated version of the reconciliation table prepared when issuing the ESRS Exposure Drafts in April 2022. It does not prejudge the content of any future mapping exercise that the European Commission, EFRAG and the ISSB might undertake on the basis of the final versions of ESRS and of ISSB standards.«
IFRS S1 und ESRS 1 bzw. ESRS 2
Zum IFRS S1 und dem ESRS führt die EFRAG in dem von ihr veröffentlichten Dokument aus »The […] objective is to map IFRS S1 Exposure Drafts requirements and ESRS 1/ ESRS 2 […] to illustrate how the content of [draft] ESRS 1, [draft] ESRS 2 has integrated to the maximum extent possible the content of the ED IFRS S1. As such, the disclosures prepared under ESRS are expected to be capable of corresponding to disclosures required by IFRS S1 (for the general disclosure). Since the EDs release in March 2022, the IFRS S2 has been subject to ISSB redeliberations that have not been taken into account in this comparison.«
Wir haben folgende Punkte herausgegriffen:
- Wesentlichkeit: Der IFRS/ISSB zielt auf die »finanzielle Wesentlichkeit« ab, während im ESRS das Konzept der »Doppelten Wesentlichkeit« verankert ist. Der Scope der »finanziellen Wesentlichkeit« ist kompatibel mit dem ESRS. Zu beachten ist auch, dass im ESRS eine verpflichtende Liste von Offenlegungsanforderungen existiert, zu denen unabhängig von den Ergebnissen des Materiality Assessments berichtet werden muss.
- Anders als beim IFRS S1 wird in der CSRD festgelegt, welche Unternehmen berichtspflichtig sind.
- Gute Übereinstimmungen gibt es z.B. bei der Offenlegung zum Thema »Governance« – beide Standards zielen darauf ab, dass die Nutzer von Nachhaltigkeitsberichten sich ein Bild der Governance-Prozesse machen können, mit denen Unternehmen Nachhaltigkeitsthemen überwachen und managen.
- Dies umfasst auch, dass beide Standards Offenlegungsanforderungen dafür definieren, wie Nachhaltigkeitsthemen auf strategischer Ebene angegangen werden.
- Beide Standards verlangen die Offenlegung der Auswirkungen von Risiken und Chancen auf das Geschäftsmodell und die Wertschöpfungskette – genauso wie Informationen darüber, an welchen Stellen der Wertschöpfungskette sich Chancen und Risiken konzentrieren.
IFRS S2 und ESRS 1
Die EFRAG leitet diesen Vergleich mit den Worten ein “The […] objective is to map IFRS S2 Exposure Drafts requirements and [draft] ESRS E1 […] to illustrate how the content of [draft] ESRS E1 has integrated to the maximum extent possible the content of the ED IFRS S2. As such, the disclosures prepared under [draft] ESRS E1 are expected to be capable of corresponding to disclosures required by IFRS S2 (for the general disclosure). Since the EDs release in March 2022, the IFRS S2 has been subject to ISSB redeliberations that have not been taken into account in this comparison.”
Hier haben wir die folgenden Punkte herausgegriffen:
- Alle Offenlegungsanforderungen zu »Governance« aus dem IFRS S2 sind im ESRS 1 und 2 enthalten. Darüber hinaus enthält der ESRS das »Statement on sustainability due diligence (ESRS 2, DR GOV 4)«.
- Die Offenlegungsanforderungen im Kontext von »Climate-related Disclosures« sind ebenfalls im ESRS E1 enthalten, wobei in diesem zusätzliche Anforderungen (u.a. 1,5°C-Ziel, Emissionen, taxonomiebezogene Informationen, etc.) enthalten sind.
- Das Konzept für Due Diligence ist umfangreicher und die Handlungsanleitungen für die Identifikation von physischen und Übergangsrisiken wie auch zu den Klimaszenarien sind im ESRS enthalten.
- Abstimmungen wird es noch zu den sektorspezifischen Standards geben müssen, die aktuell noch nicht (als Entwürfe bzw. Endfassungen) vorliegen.
GRI und ESRS
Der GRI Standard ist eines der am häufigsten genutzten Frameworks für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Ähnlich wie die EFRAG, ist auch die GRI der Frage der Interoperabilität nachgegangen und hat eine erste Einordnung in einem kürzlich veröffentlichten Dokument vorgenommen [3]. Auf dieses beziehen wir uns bei unseren weiteren Ausführungen.
Der GRI Standard ist, vergleichbar wie der ESRS, in vier Bereiche unterteilt und deckt alle Nachhaltigkeitsfragestellungen im Kontext von ESG ab. In den Begleitdokumenten zur Veröffentlichung des Entwurfs des ESRS hat die EFRAG darauf hingewiesen, dass bei der Entwicklung des ESRS eine möglichst gute Übereinstimmung mit den Offenlegungsanforderungen des GRI Standards angestrebt wurde. Das sind gute Nachrichten insbesondere für die Unternehmen, die bereits jetzt ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung nach dem GRI Standard organisieren. Es bestehen kleinere Unterschiede, die unserer Einschätzung nach aber überbrückbar sind. Ein Beispiel ist der Wesentlichkeitsbegriff (GRI: »Impact Materiality«, »ESRS: Double Materiality«).
Dazu wird in dem Paper der GRI ausgeführt: “To provide the full picture, a company should report both how it impacts the world it operates in (using GRI Standards) and how sustainability topics affect the organisation (using IFRS Sustainability Disclosure Standards). Taken together and in the context of the CSRD, this is referred to as double materiality.”
Ein weiterer Hinweis aus dem oben genannten Dokument bezieht sich auf die bereits für die Nachhaltigkeitsberichterstattung etablierten Prozesse und Verfahren. Die Anforderungen, die sich aus dem ESRS ergeben, können in diese integriert und damit Doppelungen vermieden werden. In diesem Zusammenhang weist die GRI auf eine noch zu publizierende Handreichung hin, in der dies wie auch das Mapping der Offenlegungsanforderungen beschrieben wird. Geplant ist, diese bereitzustellen, sobald die Europäische Kommission die finale Fassung des ESRS veröffentlicht. Die EFRAG hat ihrerseits ein vergleichbares Dokument angekündigt. Wir werden in unserem Blog darüber berichten, sobald diese Dokumente vorliegen.
Voraussichtlich wird sich also eine gute Kompatibilität zwischen ESRS und GRI einstellen und Unternehmen, die auf europäischer Ebene nach dem ESRS berichten, profitieren davon, wenn sie beispielsweise gleichzeitig auf internationaler Ebene ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung nach dem GRI Standard fortsetzen.
Zusammenfassung
Unternehmen, für die der ESRS die Grundlage ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung ist, haben den Vorteil, dass mit diesem Standard nahezu alle möglichen Offenlegungsanforderungen in anderen Standards beantwortet werden können. Umgekehrt ist dies nicht immer der Fall. Speziell dann, wenn es sich um einen Berichtsstandard handelt, der sich auf eine der drei Säulen von ESG konzentriert.
Eine gute Interoperabilität scheint sich beim GRI Standard und dem ESRS abzuzeichnen, was insbesondere für die Unternehmen ein Vorteil ist, die bereits nach dem GRI Standard berichten. Wie sich die Interoperabilität endgültig zwischen IFRS/ISSB und ESRS entwickelt, bleibt noch abzuwarten, da dies von den jeweiligen Endfassungen beider Standards abhängen wird. In jedem Fall werden wir über die weiteren Entwicklungen berichten.
Quellen und Fundstellen
[1] Appendix IV – TCFD Recommendations and ESRS reconciliation table
[2] Appendix V – IFRS Sustainability Standards and ESRS reconciliation table
[3] GRI and the European Sustainability Reporting Standard (ESRS)
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