“Double Materiality” – Was bedeutet die “doppelte Wesentlichkeit” für die Nachhaltigkeitsberichterstattung?
Das Konzept der “Double Materiality” bzw. der “doppelten Wesentlichkeit” ist ein zentrales Element der zukünftigen Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen. Mit dem Übergang zur Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wird die Non-Financial Reporting Directive (NFRD) abgelöst. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung soll zukünftig einheitlich nach dem European Sustainability Reporting Standard (ESRS) erfolgen, dessen Kernelement das Konzept der “Double Materiality” bzw. “doppelten Wesentlichkeit” ist. Unser How-To Artikel, in dem wir die Schritte zur Erarbeitung eines Double Materiality Assessments beschreiben, kann hier abgerufen werden.
Einordnung CSRD und ESRS
Die Corporate Sustainability Reporting Directive / CSRD [1] wird die bisher geltende Non-Financial Reporting Directive / NFRD ablösen. Die Regelungen der CSRD werden für folgende Unternehmen gelten:
- Alle großen Unternehmen, die min. zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen:
- Bilanzsumme min. 20 Mio. Euro
- Nettoumsatzerlöse min. 40 Mio. Euro
- Durchschnittlich beschäftigte min. 250
- Alle an der Börse gelisteten Unternehmen, außer Kleinstunternehmen, welche die folgenden Kriterien erfüllen:
- Bilanzsumme max. 350.000 Euro
- Nettoumsatzerlöse max. 700.000 Euro
- Durchschnittlich beschäftigte max. 10
Damit wird die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf deutlich mehr Unternehmen ausgeweitet (NFRD: 11.000 Unternehmen, CSRD: 50.000 europäische Unternehmen) und die Berichterstattung wird einheitlich nach dem European Sustainability Reporting Standard / ESRS [2], der aktuell als Entwurf vorliegt, erfolgen.
Update 1: 21.06.2022
Der Europäische Rat hat am 21. Juni 2022 in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, dass er mit dem Europäischen Parlament eine vorläufige Einigung über die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) erzielt hat.
Der Europäische Rat betonte, dass die Nachhaltigkeitsberichte von einem akkreditierten unabhängigen Prüfer oder Zertifizierer zertifiziert werden müssen. Die wichtigste Änderung des CSRD-Entwurfs betrifft den Zeitplan für die Umsetzung, die nun wie folgt gestaffelt erfolgen soll:
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- am 1. Januar 2024 für Unternehmen, die bereits der Richtlinie über die Angabe nichtfinanzieller Informationen unterliegen;
- am 1. Januar 2025 für große Unternehmen, die derzeit nicht der Richtlinie über die Angabe nichtfinanzieller Informationen unterliegen;
- am 1. Januar 2026 für börsennotierte KMU sowie für kleine und nicht komplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungsunternehmen.
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Weitere Einzelheiten finden Sie in der Pressemitteilung hier.
“Double Materiality” bzw. “doppelte Wesentlichkeit” als zentraler Bestandteil der Nachhaltigkeitsberichterstattung
Mit der Einleitung “The undertaking shall report sustainability matters on the basis of the double materiality principle” im aktuellen Entwurf des ESRS wird klar, welcher Stellenwert dem Konzept der doppelten Wesentlichkeit bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung zukommen wird.
Nach dem ESRS dient das Konzept der Double Materiality nicht nur dazu festzustellen, ob ein Nachhaltigkeitsthema Eingang in die Nachhaltigkeitsberichterstattung findet.
“Double materiality is a concept which provides criteria for the determination of whether a sustainability matter has to be included in the undertaking’s sustainability report. Double materiality is the union (in mathematical terms, i.e., union of two sets, not intersection) of impact materiality and financial materiality. A sustainability matter meets therefore the criteria of double materiality if it is material from either the impact perspective or the financial perspective or both perspectives.”
Vielmehr wird unter “Double Materiality” die Vereinigung (im mathematischen Sinn die Vereinigung zweier Mengen, nicht deren Schnittmenge) von Wirkungsperspektive bzw. Impact Materiality und finanzieller Wesentlichkeit bzw. Financial Materiality verstanden. Ein Nachhaltigkeitsaspekt erfüllt also dann die Kriterien der doppelten Wesentlichkeit, wenn er entweder aus der Wirkungsperspektive oder aus der Finanzperspektive oder aus beiden Perspektiven wesentlich ist. Auch wenn die Bezeichnung “Double Materiality” es zunächst vermuten lässt, müssen keine zwei voneinander unabhängigen Assessments durchgeführt werden.
Hinweise aus dem ESRS
Aus dem vorliegenden Entwurf des ESRS lassen sich weitere Konkretisierungen und Hinweise rund um das Thema der doppelte Wesentlichkeit ableiten. Fundstellen sind dabei beispielsweise das Dokument ESRS 1 General Principles Abschnitt 2.2 [4].
Stakeholder im Kontext von Double Materiality
Als Stakeholder werden z.B. Einzelpersonen, Gruppen, Institutionen, etc. verstanden, auf die sich die Unternehmenstätigkeit auswirkt oder die selber Auswirkungen auf die Unternehmenstätigkeit haben bzw. diese beeinflussen können.
Nach dem ESRS sollen die berichtenden Unternehmen zwei Hauptgruppen von Stakeholdern identifizieren:
- Diejenigen, auf die sich die Unternehmenstätigkeit auswirkt (Individuen oder Gruppen deren Interessen von der Unternehmenstätigkeit tangiert werden bzw. tangiert werden könnten – sowohl positiv wie auch negativ. Betrachtet wird dabei sowohl die direkte Unternehmenstätigkeit, als auch dessen Wertschöpfungskette).
- Nutzer von Nachhaltigkeitsberichten, d.h. von Stakeholdern, die ein Interesse am berichtenden Unternehmen haben (bereits existierende und potenzielle Investoren, Geldgeber, Geschäftspartner, Gewerkschaften, Sozialpartner, Zivilgesellschaft, NGOs, …).
Dabei ist es möglich, dass einige Stakeholder auch beiden Gruppen angehören. Durch den Double Materiality Prozess soll sichergestellt werden, dass die Auswirkungen auf alle betroffenen Stakeholder berücksichtigt werden.
Kommunikation der Ergebnisse reicht nicht aus
Die Kommunikation der Ergebnisse des Materiality Assessments alleine reicht nicht aus. Um die notwendige Transparenz und damit Nachvollziehbarkeit zu schaffen, muss der Prozess des Materiality Assessment insgesamt dokumentiert werden. Von der Auswahl der Stakeholder über deren Einbindung bis hin zur Einordnung der Ergebnisse.
Zusammenfassung
Mit der CSRD, dem ESRS und der EU Taxonomie [3] ergibt sich ein Themenkanon, mit dem sich Unternehmen, die unter die Regelungen der CSRD fallen, möglichst frühzeitig beschäftigten sollten um die Weichen für die zukünftige Nachhaltigkeitsberichterstattung zu stellen. Die Anforderungen an das Nachhaltigkeitsreporting sollten nicht unterschätzt werden. Beispielsweise müssen die notwendigen Strukturen für die Datensammlung und -aufbereitung etabliert und Prozesse geplant werden. Die Umsetzung eines Materiality Assessments ist dabei ein Aspekt, der nicht trivial ist, aber wichtige Einsichten liefern kann die zur Weiterentwicklung der Unternehmensstrategie beitragen können und den Auftakt für einen langfristigen Stakeholderdialog bilden, der das Ziel hat, Zukunftsherausforderungen zu erkennen und gemeinsam zu meistern.
Hier geht es zu unserem How-To Artikel, in dem wir die Umsetzung eines Double Materiality Assessments beschreiben.
NordESG
NordESG ist ein unabhängiges Beratungsunternehmen, das zu Nachhaltigkeit und ESG berät. Wir unterstützen Unternehmen bei der Navigation durch deren Nachhaltigkeitslandschaft und erarbeiten individuell auf deren Anforderungen zugeschnittene Strategien und Konzepte. Dazu gehört auch, den Übergang in die CSRD zu gestalten. Wir freuen uns über Ihre Kontaktaufnahme per E-Mail. Sie können aber auch direkt einen Termin für ein kostenfreies Kennenlerngespräch mit uns vereinbaren.
Hinweise, weitere Informationen und Quellen
Der ESRS liegt derzeit in der Entwurfsfassung [5] für die öffentliche Konsultation vor. Mit Änderungen bei der Endfassung muss gerechnet werden.
[1] Unser Blogpost und unser Whitepaper zur CSRD – hier
[2] Unser Blogpost und unser Whitepaper zum ESRS – hier
[3] Unser Blogpost zur EU Taxonomie – hier
[4] ESRS 1 – General Principles – Beschreibung des Konzepts “Double Materiality”
[5] Entwurf des ESRS (alle Inhalte und weitere Informationen) im Internetauftritt der EFRAG – hier